Papierfahnen der EU

Unternehmen gegen Populismus "Sie gefährden das, was wir aufgebaut haben"

Stand: 14.05.2024 14:29 Uhr

Die Vorstände von Deutscher Bank, Deutscher Bahn und Siemens treten gemeinsam mit weiteren Unternehmenschefs gegen Extremismus, Populismus und Rassismus ein. Sie rufen dazu auf, bei der Europawahl demokratische Kräfte zu stärken.

Die Chefs von Siemens, Deutscher Bahn und Deutscher Bank haben vor den Folgen von Populismus, Extremismus und Rassismus für den Wirtschaftsstandort Deutschland gewarnt. Die drei Konzerne beteiligen sich mit zahlreichen weiteren Firmen an der Wirtschaftsallianz "Wir stehen für Werte".

"Extremisten und Rassisten spalten unsere Gesellschaft, spalten unser Land, gefährden unseren Wohlstand", sagte Siemens-Chef Roland Busch. "Wir wollen mehr Vielfalt, mehr Offenheit und mehr Toleranz für eine lebenswerte Gesellschaft und Wohlstand." Das sei die Basis für Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. "Sie gefährden das, was wir aufgebaut haben", warnte Busch und erklärte, er würde für sein Einstehen gegen Populisten auch den Verlust von Aufträgen riskieren. "Dann ist das so. Aber das glaube ich nicht."

Offene Märkte Basis für Wohlstand

"Wir brauchen viel mehr Europa. Wir müssen diesen Binnenmarkt weiter stärken", sagte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Populisten wollten genau das Gegenteil, aber die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und Europa basiere auf offenen Märkten. "Die Ideen von Populisten sind reines Gift für die Wirtschaft", so Sewing.

Die Bank bekomme immer häufiger Rückfragen von Kunden und Investoren aus dem Ausland, wie es um die Festigkeit der Demokratie bestellt sei. "Diese Fragen kommen mehr und mehr", sagte Sewing. Er wisse von asiatischen Unternehmen, die ihre Investitionen in andere Regionen der Welt umgeleitet hätten, weil Deutschland nicht offen sei für Zuwanderung.

"Investoren sehen mit zunehmender Skepsis auf das, was in Deutschland passiert", sagte der Chef der größten deutschen Bank. Deutschland habe jahrelang an den Kapitalmärkten geringere Zinsen zahlen müssen als andere, auch weil das Land politisch und kulturell als verlässlich galt. Das sei durch links- und rechtsextremistische Positionen in Gefahr.

Mitarbeiter oder Bankkunden auf ihre politische Einstellung hin überprüfen will die Deutsche Bank nicht. "Es geht nicht um die Ausgrenzung des einen oder anderen, sagte Sewing. Dafür gebe es auch keine rechtliche Handhabe.

Lutz will Echoräume aufbrechen

Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz berichtete von politischen Äußerungen auf internen Plattformen des Konzerns, "die wir nicht gutheißen". "Bei der Frage, was wir noch tolerieren und wo wir die rote Linie ziehen, haben wir die Dinge etwas verschärft", sagte Lutz. "Wir steigen viel schärfer in die Diskussion ein und sperren auch mal Kommentarfunktionen." 

Die Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt müssten anfangen, "die Echoräume aufzubrechen. Das geht nur über Dialog und Diskurs", sagte Lutz. "Das ist wahnsinnig anstrengend, aber ich glaube, dass wir keine andere Chance haben, wenn wir der populistischen Spaltung von Gesellschaft etwas entgegensetzen wollen." Der Bahn-Konzern sei aber auch bereit, einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei extremen Äußerungen von den internen Netzwerken auszusperren.

"Dexit" und "Remigration" waren Auslöser

Mehr als 30 Unternehmen - von DAX-Konzernen bis zu Start-ups - hatten die Initiative "Wir stehen für Werte" kürzlich gestartet. In einer gemeinsamen Kampagne rufen sie unter anderem ihre 1,7 Millionen Mitarbeiter auf, bei der Europawahl am 9. Juni pro-europäische Parteien zu unterstützen.

Auslöser war nach Darstellung von Siemens-Chef Busch Forderungen nach einem Austritt Deutschlands aus der EU ("Dexit") und Recherchen über Forderungen von Rechtspopulisten nach der Ausweisung von Ausländern ("Remigration"). Damit seien "rote Linien überschritten" worden.

Eine feste Demokratie ist nach Auffassung von Sewing die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. "Ein Austritt aus der EU wäre der größte Fehler, den wir machen könnten." Das Land brauche Zuwanderung von Fachkräften. "Diese Menschen kommen nicht, wenn Rechtspopulisten bei uns regieren", so Sewing.

Lutz sagte, ihn hätten auch anti-israelische Proteste in Deutschland nach Beginn des Gaza-Kriegs gegen die palästinensische Hamas alarmiert. Anti-demokratische Bestrebungen gefährdeten den Wohlstand.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 11. April 2024 um 18:10 Uhr.